JaboG 35

Jagdbombergeschwader 35

Jagdgeschwader 73 / Jagdbombergeschwader 42 /

Leichtes Kampfgeschwader 42

Fliegerhorst Pferdsfeld

 

Vorbemerkung:
Dieses Geschwader hebt sich von den anderen Luftwaffengeschwadern insofern ab, dass es während seines Bestehens auf dem Fliegerhorst Pferdsfeld nicht nur vier Namen führte und drei Muster flog, sondern auch dadurch, dass es nicht einfach aufgelöst wurde und verschwand. Eine F-4F Komponente (als 2.Jagdstaffel) bildete zusammen mit einer MiG-29 Komponente vom Fliegerhorst Preschen ab dem 01.10.1994 auf dem Fliegerhorst Laage bei Rostock das Jagdgeschwader 73.
Trotz aller Verlegungen, Umrüstungen und Umbenennungen: Das ursprüngliche Geschwader-Wappen (das seit 1963 mit und ohne Schriftzug alle Veränderungen überdauerte) ist seither das Wappen des heutigen Taktischen Luftwaffengeschwaders 73 „Steinhoff“, jetzt wieder ohne Schriftzug! 

Entstehung des Fliegerhorstes Pferdsfeld
Wer mit dem Auto von Bingen / Rhein aus entlang der Nahe flussaufwärts bis Bad Sobernheim fährt und dort nach Norden abbiegt Richtung Mosel, der durchquert in ansteigendem, hügeligem Gelände den Soonwald, ein großes Waldgebiet (Teil des Hunsrücks in Rheinland-Pfalz). In dieser einsamen, aber wunderschönen Mittelgebirgslandschaft, in der einst der berüchtigte Räuber „Schinderhannes“ sein Unwesen trieb, würde man eigentlich keinen Flugplatz vermuten. Einen Platz dieser Größe verbindet man gemeinhin mit einer ebenen Fläche. Und doch gab es diesen flächenmäßig großen Fliegerhorst für Kampfflugzeuge bis 1998.
Die Geschichte des „Fliegerhorstes Pferdsfeld“ begann, wie die Geschichte vieler Fliegerhorste, bereits Mitte der 30er Jahre, als das Reichsluftfahrtministerium die Erkundung von Einsatzflughäfen befahl, wohl schon in Vorbereitung des geplanten Krieges. Im Rahmen dieser Erkundung wurde am südlichen Rand des Soonwaldes, auf der Gemarkung des kleinen Dorfes Pferdsfeld, eine landwirtschaftlich genutzte Fläche festgelegt und im Sommer 1938 durch entsprechende Baumaßnahmen für die Aufnahme von Flugzeugen tauglich gemacht.
Im August 1939 wurde mit dem Bau von Baracken und Treibstofflager begonnen und zum 01.09.1939 verlegte dann eine Gruppe Nahaufklärer HS-126 für Aufklärungsflüge an die französische Grenze auf den Feldflugplatz. Sie wurden jedoch bereits im Oktober 1939 auf einen südlich gelegenen, grenznäheren Platz verlegt. Von November 1939 bis zum 22.06.1940, dem Ende des Frankreichfeldzuges, war der Platz mit Fernaufklärungsflugzeugen DO-17 belegt. Nach Abzug dieses Verbandes wurde der Fliegerhorst Pferdsfeld bis zum Ende des Weltkrieges nicht mehr militärisch genutzt.

Der Neubeginn nach dem 2. Weltkrieg
Nach Kriegsende stießen die französischen Streitkräfte (zu diesem Zeitpunkt waren die Besatzungszonen noch nicht festgelegt) auf den Feldflugplatz und begannen sehr schnell mit dem Ausbau zu einem befestigten Fliegerhorst mit einer Start-/ Landebahn von 2438 x 45 Metern sowie den dazugehörigen, notwendigen Rollwegen und Abstellflächen, Hallen und Treibstoff-und Munitionslager. Eine fliegerische Nutzung des Platzes durch die Armee de lÀir erfolgte jedoch nie. Inzwischen war Deutschland in 4 Besatzungszonen aufgeteilt und so übergab Frankreich den Fliegerhorst 1957 an die USAFE, nachdem diese das „Maneuver Airfield“ bereits seit 1952 für Flugbewegungen nutzte.  Im Rahmen dieser Übernahme erfolgten weitere Baumaßnahmen wie z.B. die Verlängerung der Bahn auf 3 000 Meter, des Baus von Überrollflächen, weiterer Baracken usw. Auch jetzt erfolgte jedoch keine intensive Nutzung und so übergab die USAFE den Fliegerhorst 1959 an die im Aufbau befindliche Luftwaffe der Bundesrepublik Deutschland.

Trotz heftiger Proteste der Einwohner der unmittelbar an der Startbahn gelegenen Dörfer Pferdsfeld (Namensgeber für den Fliegerhorst), Eckweiler und Rehbach entschloss sich die Luftwaffenführung anfangs 1960, das am 01.12.1959 in Oldenburg in Dienst gestellte Jagdgeschwader 73 auf dem Fliegerhorst Pferdsfeld zu stationieren. Garnisonsstadt wurde das ca. 10 km südlich im Nahetal gelegene Städtchen Sobernheim. Der Vorteil lag darin, dass es sich flächenmäßig um einen kompletten Flugplatz handelte, einschließlich aller notwendigen Flugverkehrsflächen. Allerdings befand sich die Infrastruktur in einem desolaten, völlig unzureichenden Zustand! Dementsprechend begannen sofort umfangreiche Baumaßnahmen auf dem Fliegerhorst sowie der völlige Neubau des Unterkunftsbereiches (A-Bereich) ca. 2 km nördlich von Sobernheim an den Hängen des Nahetals: eine traumhafte Lage.

 

Dieser Fliegerhorst war in vielen Aspekten nicht unproblematisch:

-    Lärmprobleme, vor allem wegen der drei oben genannten Dörfer
Rehbach: Dieses kleine Dörfchen lag am Ostkopf der Startbahn, direkt in der Anflugbefeuerung und stellte damit ein erhebliches Sicherheitsrisiko sowohl für den Flugbetrieb als auch für die Einwohner selbst dar. Ende der 60er Jahre begann die Umsiedlung in das einige Kilometer entfernte „Neu-Rehbach“; sie endete 1972 mit der Einebnung des „alten“ Dorfes. 
Pferdsfeld und Eckweiler: Hier trat das Lärmproblem mit dem Beschluss zur Umrüstung von der „leisen“ G-91 zur „lauten“ F-4F zu Tage. Aufgrund einer durch, vor allem jüngere, Einwohner initiierte Petition wurde zur Beurteilung eine Fluglärmkommission eingesetzt. Diese kam, nicht zuletzt aufgrund der unermüdlichen Agitation der kleinen Gruppe (hierfür ist der Autor als Teilnehmer an mehreren Sitzungen der Kommission Zeitzeuge), schließlich zum Schluss, dass nur eine Umsiedlung der beiden Gemeinden das Lärmproblem lösen würde. 
Entgegen der öffentlichen Meinung und auch offizieller Äußerungen hat nicht die Luftwaffe die Umsiedlung betrieben, sondern eine kleine Gruppe Menschen, die im Übrigen zur Luftwaffe keine allzu positive Einstellung hatten!
Der Beschluss führte zu erheblichen Konfrontationen zwischen den Befürwortern und den Gegnern der Umsiedlung (vor allem der älteren Einwohner und der Landwirte, die meisten hatten ihren Voll-/ Nebenerwerb auf dem Fliegerhorst gefunden), was an der Beschlussfassung jedoch nichts mehr änderte. Die umgesiedelten Einwohner fanden ihre neue Heimat ab 1979 in einem Neubaugebiet im Osten der Stadt Sobernheim.

- Probleme mit der Topographie
Jeder, der einmal auf dieser Bahn gestartet oder gelandet war, weiß wovon die Rede ist. Sie wies nicht nur relativ große Gefälle in der Längsachse auf, sondern auch Verwindungen in der Querachse, was sich vor allem bei starken Regenfällen und im Winterflugbetrieb bemerkbar machte. Auch war so mancher – mit den Gegebenheiten nicht vertraute – Pilot sehr irritiert beim Anflug / Aufsetzen, was des Öfteren zu „langen“ Landungen führte! Die Rollwege (mit zum Teil erheblichen Gefällen) zu den Abstellflächen / Flugzeugschutzbauten und die geländebedingten Unebenheiten dort waren nicht unproblematisch, vor allem bei Wetterlagen mit Glättebildung. 
Im Vergleich zu allen übrigen Fliegerhorsten der Luftwaffe und Marine, selbst zu Büchel, war Pferdsfeld eigentlich nicht gerade gut geeignet für die Stationierung von Kampfflugzeugen.

 

Das Jagdbombergeschwader 35 und seine Vorgänger in Pferdsfeld
Die Geschichte des Verbandes mit wechselnden Einsatzrollen, Namen und Einsatzmustern kann in vier Abschnitte unterteilt werden:

- die Ära F-86 SabreJagdgeschwader 7311.11.1961 – 01.10.1964
- die Ära F-86 Sabre / G-91Jagdbombergeschwader 4201.10.1964 – 01.05.1967
- die Ära G-91 GinaLeichtes Kampfgeschwader 4201.05.1967 – 01.04.1975
- die Ära F-4F Phantom IIJagdbombergeschwader 3501.04.1975 – 01.10.1994

(Flugbetrieb bis 03.07.1997)

 

Die Ära „F-86 Sabre“ als Jagdgeschwader 73

 


Die Aufstellung des ersten Vorläufers des JaboG 35, des „Jagdgeschwaders 73, begann bereits am 01.04.1959 auf dem Fliegerhorst Ahlhorn, zunächst nur personell. Vor Zuführung der ersten Flugzeuge verlegte das JG 73 im November 1959 zur Waffenschule 10 auf den Fliegerhorst Oldenburg, wo es offiziell zum 01.12.1959 unter dem ersten Kommodore, Oberst Schröter, in Dienst gestellt wurde. Den Flugzeugen wurde die taktische Kennung „JC+Ziffern“ zugeteilt.

Am 17.10.1961 landeten die ersten Flugzeuge auf ihrem neuen Heimatflugplatz. Die offizielle Indienststellung des Jagdgeschwaders 73 in Pferdsfeld erfolgte am 11.11.1961 durch den InspLw, General Kammhuber. Der nur 3 Jahre dauernde Bestand des JG 73 war geprägt von dem zweimaligen Standortwechsel, der völlig unzureichenden Infrastruktur am endgültigen Standort und den lange andauernden Baumaßnahmen sowohl auf dem Fliegerhorst als auch im neu erbauten Unterkunftsbereich.
Trotz aller Schwierigkeiten fand die fliegerische Ausbildung bzw. der Flugbetrieb planmäßig statt, wobei zeitweise, bedingt durch Baumaßnahmen, auch Verlegungen auf andere Fliegerhorste notwendig waren   Bereits im Juni 1962 nahm ein Kommando auf dem Fliegerhorst Westerland / Sylt an einem Wettbewerb der Jagdgeschwader teil. 

Ab August 1962 erfolgte die Gestellung einer QRA, damals mit 5 Maschinen (!!!), allerdings war diese QRA wegen der Fähigkeit der F-86 auf reinen Tagesflugbetrieb reduziert.
Durch die sich ändernde NATO-Strategie zur „Flexible Response“ wurde bereits ab 1963 das Ende erkennbar: Die Zahl der Jagdgeschwader der Luftwaffe wurde reduziert und die der Jagdbombergeschwader erhöht. Mit der Unterstellung unter die 5.Luftwaffendivision am 01.07.1963 endete die Jagdrolle und somit auch die Gestellung einer QRA. Dieser Rollenwechsel traf die „Jäger aus Kurpfalz“, wie sich die Flugzeugführer inoffiziell nannten, ins Herz, gehörten doch auch drei Jagdfliegerasse der ehemaligen Luftwaffe mit 178 / 121 / 42 Abschüssen zu ihren Reihen. Hinzu kam, dass der Ersatz der F-86 durch das Erdkampfflugzeug G-91 bereits feststand und dieses Flugzeug als „Abstieg“ und als Demütigung der Jagdflieger angesehen wurde.
Die für September 1963 beginnende Einführung der G-91 musste dann anfangs 1964 wegen technischer Probleme verschoben werden. Mit der Ausbildung der Flugzeugführer in der Jagdbomberrolle auf dem Jagdflugzeug F-86 war bereits ab Februar 1963 begonnen worden. Allerdings war dieses Flugzeug weder technisch noch fliegerisch für Einsätze im Tiefflug und für Luft-/Bodeneinsätze geeignet. Die drei tödlichen Abstürze mit der F-86 Sabre in den Jahren 1964 / 1965 hingen alle ursächlich mit dem Einsatz als Jagdbomber zusammen! Nach der Änderung der Rolle wurde folgerichtig am 01.10.1964 das Jagdgeschwader 73 in Jagdbombergeschwader 42 umbenannt.   

Die Ära „F-86 Sabre / G-91“ als Jagdbombergeschwader 42
Nach dem vorläufigen Stopp der Zuführung der G-91 anfangs 1964 wurde die Ausbildung der Flugzeugführer in der Jagdbomberrolle auf der F-86 weitergeführt, u.a. durch Kommandos auf den Luft-/Bodenschießplätzen Decimomannu und Westerland. 
Als ab Juni 1966 dann die „zweite“ Einführung der G-91 begann, zeichnete sich damit der endgültige Abschied von der F-86 ab. In dieser Umstellungsphase operierte die 1.Staffel sowohl mit der F-86 als auch mit der G-91, während die 2.Staffel ausschließlich auf G-91 eingesetzt wurde. Infolgedessen lag es bei den Flugzeugführern der 1.Staffel, die ausgedienten F-86 Flugzeuge zu ihren neuen (letzten?) Standorten zu fliegen. Unter anderem wurden 90 Maschinen über Italien, Griechenland und die Türkei in den Iran geflogen. Die offizielle Abschiedsfeier für die F-86 Sabre fand am 12.02.1967 statt. In der gesamten Einsatzzeit der F-86 in Pferdsfeld wurden immerhin rund 42 000 Flugstunden erreicht.
Die Erst-Ausbildung der Flugzeugführer auf der Fiat G-91 „Gina“ erfolgte, bis zum Ende der Einsatzzeit dieses Musters, bei der Waffenschule 50 Fürstenfeldbruck. Am 01.05.1967 erfolgte dann eine erneute Umbenennung des Geschwaders in „Leichtes Kampfgeschwader 42“, verbunden mit einer grundlegenden Umstrukturierung.

 

Die Ära „Fiat G-91 Gina“ als Leichtes Kampfgeschwader 42

 


Diese Umstrukturierung beinhaltete den Aufbau zweier „Großstaffeln“, bestehend aus dem Fliegenden Personal sowie dem für den Betrieb erforderlichen Technischen Personal. Dies befähigte die beiden Staffeln zu einer eigenständigen Kampfführung und einer schnellen Verlegefähigkeit auf ausgesuchte, ostwärts gelegene Flugplätze. Dies hätte die Einsatzreichweite der G-91, die sehr eingeschränkt war, Richtung Osten wesentlich erhöht.
Die Rolle der beiden Staffeln, und damit der jeweilige Schwerpunkt der Fliegerischen Ausbildung, unterschied sich in
- die Aufklärungsstaffel (1.Staffel) mit 70 % Aufklärungseinsätzen und 30 %       Jagdbombereinsätzen
- die Jagdbomberstaffel (2.Staffel) mit umgekehrt prozentualem Einsatzverhältnis
Ab Frühjahr 1966 wurde die endgültige Umrüstung auf die G-91 aufgenommen und so landeten am 12.06.1966 die ersten vier Geschwader-eigenen Flugzeuge vom Typ R 3 (Einsitzer) in Pferdsfeld. Als Folge des Rollenwechsels wurde das LeKG 42 dann am 01.04.1968 der 1.Luftwaffendivision (Meßstetten / Alb) unterstellt.
Die ersten Jahre ab 1966 waren geprägt von der Ausbildung des Fliegenden und des Technischen Personals sowie von Verlegungen (z.B. 1969 auf die Sembach AB), bedingt durch umfangreiche Sanierungsmaßnahmen auf dem Fliegerhorst. Daneben nahm der Verband an mehreren Großübungen teil, wie z.B. an „Schneller Pfeil“ und „Schwarzer Löwe“. Auch die Teilnahme an NATO-Wettbewerben stand in den Jahresprogrammen, wie z.B. das „Tactical Weapons Meet“.
Anfang 1970 ordnete der damalige InspLw, GenLt Steinhoff, für das LeKG 42 die Erprobung der zentralisierten Technik nach dem Vorbild der F-104 Verbände an. Aufgrund der positiven Ergebnisse dieses Truppenversuchs wurden alle Leichten Kampfgeschwader Ende 1970 umstrukturiert, die unterschiedlichen Einsatzrollen der beiden Fliegenden Staffeln wurden zunächst beibehalten. Erst mit Einführung der RF-4E in die beiden Aufklärungsgeschwader 51 und 52 im Jahr 1971 endete die Rolle „Aufklärer“. 
Im Juni 1971 fiel die Entscheidung durch den Verteidigungsausschuss zur Beschaffung von 175 Phantom II F-4F. Diese sollten die F-104 G bei den beiden Jagdgeschwadern 71 und 74 sowie beim Jagdbombergeschwader 36 ablösen. Als vierter Verband wurde das LeKG 42 benannt, eine, wie allgemein bekannt ist, sehr umstrittene und umkämpfte Entscheidung in und zwischen den hohen und höchsten Entscheidungsgremien der Luftwaffe. Zur Umsetzung wurde beschlossen, das LeKG 44 Leipheim aufzulösen und zusammen mit dem Personal des LeKG 42 den „neuen“ Verband aufzustellen. Ab 1973 begannen umfangreiche Baumaßnahmen für die erforderliche Infrastruktur zur Aufnahme der F-4F, handelte es sich doch um ein komplett anderes, technisch aufwändigeres und waffentechnisch vielseitigeres Flugzeug als die G-91. 
Völlig unbenommen davon lief der Ausbildungsflugbetrieb mit der G-91 ohne Einschränkungen weiter mit all den Ereignissen wie Kommandos, Verlegungen, TacEvals und anderes mehr.
Während der Einsatzdauer der G-91 wurden rund 84700 Flugstunden erreicht. Nicht unerwähnt bleiben sollten die rund 10 000 Flugstunden auf der T-33, bis diese 1972 abgegeben werden musste.

Da nicht, wie einige Jahre zuvor in der Ära F-86 / G-91, Mischflugbetrieb stattfinden sollte, wurde das „Leichte Kampfgeschwader 42“ am 01.04.1975 umbenannt in „Jagdbombergeschwader 35“. Gleichzeitig endete der Flugbetrieb mit der G-91 und alle Vorbereitungen für die Aufnahme des Flugbetriebes mit der F-4F zum 01.10.1975 liefen planmäßig. Die letzte Maschine vom Typ Fiat G-91 R-3 verließ am 14.04.1975 ihren „alten“ Fliegerhorst in Richtung Leipheim. Die Flugzeugführer wurden bis zu ihrer Umschulung auf die F-4F regelmäßig zum Flugdienst zu den LeKGs 41 und 43 abkommandiert. 
 

Die Ära „F-4F Phantom II“ als Jagdbombergeschwader 35
Abschnitt 1: die Umrüstung

Mit dieser Namensgebung sollte der Verband die Reihe der Jagdbombergeschwader 31 bis 36 wieder komplettieren: die Nummer 35 war seit Ende 1965 (mit der Umrüstung / Umbenennung des Verbandes in Husum von JaboG 35 / F-84 in LeKG 41 / G-91) nicht besetzt. 
Im Gegensatz zur Umrüstung der drei F-104-Geschwader auf die F-4F war die Problematik bei dem Verband in Pferdsfeld wesentlich komplexer und wird deshalb ausführlich dargestellt! Es war eben nicht nur ein Flugzeugtausch, sondern die Umrüstung / Umwandlung eines „Leichten Kampfgeschwaders“ mit einem fliegerisch und technisch einfachen, einsitzigen Flugzeug in ein „Jagdbombergeschwader“ mit einem komplexen Waffensystem, fliegerisch und technisch fordernder als der Vorgänger-Typ, mit einer 2-Mann-Besatzung und der Fähigkeit, sowohl die Rolle als Allwetterjäger als auch die als Jagdbomber zu erfüllen! Obwohl die Entscheidung nach wie vor umstritten war, wurden seitens der Luftwaffenführung neben den notwendigen Infrastrukturmaßnahmen alle wichtigen personellen Veränderungen rechtzeitig geplant und umgesetzt. So ergab sich z.B. bei der Technischen Gruppe eine Verdoppelung der Dienstposten auf rund 800 Stellen, u.a. wegen der am 04.04.1975 neu aufgestellten EloWa-Staffel. Auch die Anzahl an Stellen im Fliegerischen Bereich verdoppelte sich nahezu durch die Zuführung des „Zweiten Mannes“.
Am 01.09.1973 übernahm Oberst Haarhaus von Oberst Eimler das Kommando über den Verband, um diesen durch die schwierige Zeit der Umrüstung zu führen. Die vielleicht unangenehmste Aufgabe für den neuen Kommodore bestand darin, zusammen mit Oberst Jungkurth, dem Kommodore des aufzulösenden LeKG 44 Leipheim, die personellen Maßnahmen zu treffen, aus dem Personal der beiden Verbände das Jagdbombergeschwader zu bilden! Nicht alle „Pferdsfelder“ konnten bleiben, einige mussten, aus den verschiedensten Gründen, wegversetzt werden! Und nicht alle „Leipheimer“ wollten nach Pferdsfeld versetzt werden! Und nicht alle, die aus Leipheim nach Pferdsfeld wollten, konnten eingeplant werden! Eine nicht leicht zu lösende Aufgabe für die beiden Kommodores, hingen doch mit ihren Entscheidungen nicht nur dienstliche, sondern meist auch private, familiäre Probleme und Schicksale zusammen.
Eine Entscheidung der Führung zeigte sich für den gesamten Ablauf der Umrüstung als „segensreich“: Mitte 1974 wurde OTL Wienß (wer kennt nicht „Ede“, den zweiten StaKa der DPS?) als Projektoffizier mit der Gesamtkoordination der Umrüstung betraut! Er war prädestiniert für diese Aufgabe, war er doch nicht nur ein begnadeter Flugzeugführer und Fluglehrer, sondern hatte von Oktober 1971 bis Mai 1974 als Austauschflugzeugführer bei der USAF fliegerische Erfahrung auf der Phantom (RF-4C) gesammelt und anschließend die Umschulung auf die F-4F durchlaufen. Die erste von vielen Umrüstungskonferenzen fand dann bereits im September 1974 unter seiner Leitung statt.
Die fliegerische Ausbildung begann im Januar 1975 mit der Kommandierung von sechs Besatzungen zur 20th TFTS in George AFB, CA: jeweils 3 Flugzeugführer von den LeKGs 42 und 44 sowie jeweils 3 Kampfbeobachtern (damals KBO genannt) von den AGs 51 und 52. Diese sechs Lehr-Besatzungen standen dann zu Beginn des Flugbetriebes im Oktober 1975 für die Ausbildung der übrigen Besatzungen zur Verfügung. Alle Flugzeugführer durchliefen die erforderliche fliegerische Grundausbildung in George AFB, während die Kampfbeobachter nach ihrer Grundausbildung bei der WaSLw 50 Fürstenfeldbruck zuversetzt wurden. 
Den Lehrbesatzungen (3 weitere Besatzungen absolvierten den AWIC-Lehrgang in 1976) oblag die Aufgabe, die „neuen F-4 Flieger“ zu einsatzbereiten Besatzungen auszubilden.
Auch die Ausbildung des technischen Personals an den jeweiligen Systemen begann im Frühjahr 1975. Zunächst wurde das gesamte Führungspersonal, wie Technische Offiziere, Zugführer und Fachgruppenleiter, an der TSLW 1 Kaufbeuren mit dem neuen Waffensystem vertraut gemacht. Während die Elektroniker ebenfalls dort ausgebildet wurden, richtete die TSLw 1 für die schnelle und kostengünstige Ausbildung des übrigen Personals eine Technische Ausbildungsinspektion (TAI) auf dem Fliegerhorst Pferdsfeld ein. So konnten bis zum Eintreffen der letzten F-4 im Juni 1976 sämtliche Ausbildungsmaßnahmen abgeschlossen werden. 
Während alle Maßnahmen programmgemäß abliefen, wurde am 07.07.1975 die erste Geschwader eigene Maschine von Wittmund nach Pferdsfeld überführt; diese wurde jedoch sofort nach der Landung der Technischen Ausbildungsinspektion zur Verfügung gestellt. Die erste offizielle Maschine wurde dann am 25.09.1975 durch den Kommodore, Oberst Haarhaus, und den Projektoffizier, Oberstleutnant Wienß, ebenfalls von Wittmund nach Pferdsfeld überführt, mit dem Wittmunder Wappen, einigen Kühen und der Aufschrift versehen „Entwicklungshilfe aus Ostfriesland“! Ab dem 01.10.1975 begann dann offiziell der Flugbetrieb mit der Phantom F-4F beim Jagdbombergeschwader 35. Der letzte Lehrgang zur Umschulung der Flugzeugführer in George AFB endete am 19.03.1976 und der Sollbestand an F-4F wurde mit der Zuführung der letzten Maschine 21.06.1976 erreicht: Es handelte sich um die letzte vom Band gelaufene F-4F mit dem Kennzeichen 38+75.
Nachdem im Herbst 1976 bereits das erste Kommando „Deci“ zur Waffenqualifikation der Fliegenden Besatzungen sowohl im Luft-Boden-Waffeneinsatz als auch im Luft-Luft-Schießen erfolgreich durchgeführt werden konnte, galt die Umrüstung des JaboG 35 inoffiziell als beendet. 

Diese reibungslose Umrüstung / Umschulung wurde am 03.02.1977 durch den Kommandeur der 1.Luftwaffendivision gewürdigt: Er zeichnete den Verband mit dem Prinz-Heinrich-Preis aus. Gleichzeitig übertrug er das Kommando von Oberst Haarhaus an Oberst Pacholke, seinen bisherigen Stellvertreter. Ihm oblag nun die Aufgabe, das JaboG 35 durch eine nationale Überprüfung und anschließend durch die erste NATO-Überprüfung zu führen: Beide fanden erfolgreich statt im Februar 1977 beziehungsweise im Mai 1977. Der Abschlussbericht des NATO-TAC-EVAL Teams, datiert auf den 13.05.1977, steht für die erfolgreiche Umrüstung und die Wiedereingliederung des Geschwaders in das Verteidigungsbündnis der NATO.
Zum Abschluss dieses Abschnitts „Umrüstung“ kann festgestellt werden, dass – trotz aller Bedenken auf verschiedenen Ebenen – diese im selben Zeitrahmen abgeschlossen werden konnte wie die der von der F-104 auf die F-4F umgerüsteten Geschwader. Ermöglicht wurde dies durch eine hervorragende Planung, durch die hohe Leistungsbereitschaft aller Beteiligten sowie die außerordentlich gute Zusammenarbeit auf allen Ebenen.

Abschnitt 2: der Flugbetrieb

Der Ausbildungsflugbetrieb verlief danach über die Jahre bis zur Außerdienststellung am 01.10.1994 mit den üblichen Ereignissen. Die Erfüllung des jährlichen Programms (TCTP) in der Rolle „Tactical Fighter“ beinhaltete neben dem täglichen Flugbetrieb am Heimatplatz jeweils mehrwöchige Kommandos zur Waffenqualifikation der Besatzungen nach Decimomannu / Sardinien (jährlich),  nach Beja / Portugal (1984) sowie, ab 1981, zum Üben des extremen Tiefflugs nach Goose Bay, Kanada. Jährlich nahmen Fliegende Besatzungen und Techniker an den verschiedenen Lehrgängen (z.B. TLP) und Wettbewerben (z.B. TAM, Waffenbeladung, Cross Servicing) teil. Daneben fanden routinemäßig Austausche mit Staffeln anderer NATO-Luftstreitkäfte statt, die den gegenseitigen Erfahrungsaustausch fördern sollten. Zusätzlich wurden wegen erforderlicher Baumaßnahmen, die einen Flugbetrieb unmöglich machten, immer wieder Verlegungen auf andere Fliegerhorste, z.B. Hahn AB, erforderlich. 

Häufige „Familientage“ und „Tage der Offenen Tür“ gaben den Angehörigen des Verbandes die Möglichkeit, das Geschwader in allen Facetten darzustellen: immer wieder ein Anziehungspunkt für Tausende von Gästen.  
Auf die Vielzahl an personellen Veränderungen  soll hier nicht eingegangen werden Jedoch sollen einige der „High Lights“ verschiedenster Art Erwähnung finden, diese können allerdings nur eine Auswahl sein und erheben weder den Anspruch auf Vollständigkeit noch stellen sie eine Wertigkeit dar!
- Juni 1975 Übernahme der Patenschaft  mit der 8th Infantry Division, US  Army, Bad Kreuznach
- Juni 1977 Uraufführung des „Traditionsmarsch Jagdbombergeschwader 35“ bei einem großen Militärkonzert im A-Bereich. Damit ist / war das JaboG 35 das einzige Geschwader der Luftwaffe mit eigenem „Marsch“!

- Februar 1978 erneute Verleihung des „Prinz-Heinrich-Preises“ der 1.LwDiv sowie des Flugsicherheitspokals des GenFlSichhBw
- Juni 1978 Gewinn der „Vulcan Trophy“ beim „Tactical Air Meet“ in RAF Wildenrath
- Juli 1978 Antrittsbesuch des Verteidigungsministers Apel bei der Luftwaffe, vertreten durch das Jagdbombergeschwader 35
- Juli 1978 eine Besatzung des JaboG 35 mit einer Wartungscrew und ihrer F-4F repräsentieren beim Deutschland Besuch des US Präsidenten Jimmy Carter auf der Rhein-Main-Airbase Frankfurt die Luftwaffe
- März 1979 Gründung eines Geschwader Chors
- Oktober 1979 Feier des 20. Geburtstages mit einem Geschwaderappell und einem Hallenfest
- März 1980 Gestellung einer QRA im Rahmen des „Tactical Fighter“ Konzepts
- Juli 1981 Verteidigungsminister Apel nutzte bei seinem zweiten Truppenbesuch das Geschwader als „Vorzeigegeschwader“ anlässlich des Besuches des Leiters der Japanischen Verteidigungsbehörde

- September 1981 erstes Kommando Goose Bay, Canada mit anschließender Rückverlegung aller F-4F mittels Luftbetankung nach Pferdsfeld, dabei legten diese die Strecke von 2 720 Nautischen Meilen in 6:15 Stunden zurück.
- Juli 1983 die 250 000ste Gesamtflugstunde wurde erreicht
- April 1984 die F-Staffel erreichte den 200 000sten Radaranflug (GCA) und die Fachgruppe „Martin Baker“ die 1500ste Schleudersitzinspektion
- März 1985 erneute Auszeichnung mit dem „Prinz-Heinrich-Preis“ sowie dem Flugsicherheitspokal
- Juli 1985 bis August 1988 mehrere Vorführungen eines „Demo Teams“, zunächst mit 4, dann mit 6 Maschinen, das nach der Katastrophe von Ramstein jedoch wieder aufgelöst werden musste

- August 1991 das Bundesverteidigungsministerium informierte, dass alternativ zum Schwestergeschwader JaboG 36 auch die Verlegung des JaboG 35 nach Laage geprüft würde
- 30.03.1993 das BMVg   gab bekannt, dass das Jagdbombergeschwader 35 mit dem Erprobungsgeschwader MiG-29 Preschen verschmolzen werden würde. Als neues Jagdgeschwader 73 sollte es auf dem Fliegerhorst Laage bei Rostock stationiert werden.
- Juni 1993 Abgabe der letzten Do-28D2
- August 1993 die 300 000ste Gesamtflugstunde wurde erreicht
- November 1993 erneute Auszeichnung mit dem „Prinz-Heinrich-Preis“
- 01.06.1994 Außerdienststellung der 2.Jagdbomberstaffel
- 06.06.1994 die 150 000ste Flugstunde F-4F wurde erreicht

Abschnitt 3: das Ende

Es ist nicht einfach, das Ende des JaboG 35 zu beschreiben, da nach der Außerdienststellung mehrere Aktionen ineinander greifen. Dieser Beitrag gibt deshalb das Ende verkürzt wieder und beschäftigt sich nur mit dem Ablauf am Fliegerhorst Pferdsfeld. 

Zum 01.10.1994 wurde des Jagdbombergeschwaders 35 Pferdsfeld aufgelöst und in das Jagdgeschwader 73 eingegliedert mit der Bezeichnung „Jagdgeschwader 73 Anteil F-4F“. Obwohl Trauer herrschte wurde doch gleichzeitig ein schöner Anlass gefeiert: der 35. Geburtstag des Geschwaders. Nach einem Großen Zapfenstreich am 30.09.1994 in Sobernheim fand am Tag danach ein Tag der Offenen Tür mit anschließendem Hallenfest statt, zu dem rund 15 000 Besucher den Weg in den Soonwald fanden. 
Im Juli 1996 wurde die QRA Pferdsfeld deaktiviert. Bis Juni 1997 fand mit dem verbliebenen Teil noch Flugbetrieb in Pferdsfeld statt, wobei der Personalabbau bereits ab Dezember 1994 auf allen Ebenen begonnen hatte. 

Am 03.07.1997 war es dann endgültig soweit: Mit einem Appell und in Anwesenheit zahlreicher Gäste stellte der InspLw, Generalleutnant Mende, den Fliegerhorst Pferdsfeld offiziell außer Dienst. Im Anschluss daran wurden die Tore ein letztes Mal für die Öffentlichkeit geöffnet und der Tag endete mit einem rauschenden Hallenfest. Der Höhepunkt des Abends brachte die meisten Anwesenden, ob Frau oder Mann, zum Weinen: Nach Anbruch der Nacht leuchteten zunächst alle Flugbetriebsbeleuchtungen auf, um dann langsam abschnittsweise zu verlöschen. In der dann herrschenden Dunkelheit leuchtete auf der Startbahn ein Feuerwerk auf, das die Form und die Farben des Geschwader Wappens darstellte, dazu ertönte das sehr bekannte Lied „Time to Say Goodby“ gesungen von Andrea Bocelli.      
Ein sehr emotionaler und würdiger Abschied!   

Nachwort:
Am 07.07.1997 hoben nach fast 36 Jahren die letzten drei F-4F des Geschwaders von der Startbahn in Pferdsfeld ab. Insgesamt wurden rund 310 000 Flugstunden erzielt, davon mehr als die Hälfte mit der Phantom. 
Während der gesamten Zeit verloren 8 Besatzungsmitglieder ihr Leben::
3 Piloten bei Abstürzen mit der F-86
2 Piloten bei einem Unfall mit der P-149D
1 Pilot bei einem Unfall mit der G-91
1 Pilot / 1 Waffensystemoffizier bei einem Unfall mit der F-4F
Im März 1998 wurden nach Abschluss der Aufräumungsarbeiten die Liegenschaften an das Bundesvermögensamt (BIMA) übergeben:
Das Jagdbombergeschwader 35 und dessen Vorgänger auf dem Fliegerhorst Pferdsfeld waren endgültig Geschichte!

 

Text: OTL a.D. Heinz Roschmann
Fotos: Heinz Roschmann / Bildstelle / Herr Daniel Kehl / Herr Diethard Achterberg
Der Autor bedankt sich im Besonderen bei Herrn Daniel Kehl für die Erlaubnis zur Nutzung von Daten und Bildern sowie bei Herrn Diethard Achterberg für die zur Verfügung gestellten Fotos.

 

Ehemaliges Führungspersonal der Phantom Ära

(erscheint nur für eingeloggte Mitglieder)

 

 

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Staffelpatches

Sonderlackierungen

20 Jahre

25 Jahre

35 Jahre